Warum steht ein Bett mitten in der Wiesbadener Innenstadt?

Mittwoch den 24. und 31.08. macht Wildwasser Wiesbaden e.V. auf dem Wochenmarkt in der Wiesbadener Innenstadt auf das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ aufmerksam.

Mythen rund um Vergewaltigung

Eine Schlafzimmerkulisse inklusive Bett, Nachttisch, Teppich und Lampen steht auf dem Markplatz in der Wiesbadener Innenstadt. Damit wollen die Frauen von Wildwasser Wiesbaden e.V. irritieren und mit den Passantinnen und Passanten ins Gespräch kommen. Über die Themen, die sonst ungern besprochen werden. Es geht beispielsweise über den weit verbreiteten Irrglauben, die meisten Vergewaltigungen passierten draußen im Freien und würden vor allem durch Fremde verübt. Das Gegenteil ist der Fall. Die meiste sexualisierte Gewalt passiert im Privaten/Zuhause, z.B. im scheinbar sicheren Rückzugsort des eigenen Schlafzimmers. Die Täter sind in den wenigsten Fällen Fremde, sondern Freunde, Bekannte, Ex- Partner, Ehemänner, Dates, usw. Mit diesen und vielen anderen Mythen rund um das Thema Vergewaltigung möchte Wildwasser Wiesbaden e.V. aufräumen. Der Verein bietet Beratung für von sexualisierter Gewalt betroffene Mädchen und Frauen. Fachkräfte finden in der Fachberatungsstelle Unterstützung, wenn sie Sorge haben, dass ein Kind betroffen sein könnte oder sie die Betroffene unterstützten möchten.

Das Projekt Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung

Gleichzeitig soll mit der Aktion auf das Wiesbadener Angebot der „Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung“ aufmerksam machen. Unter der Leitung und Finanzierung der Kommunalen Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt Wiesbaden Saskia Veit-Prang wurde bereits im Jahr 2016 in Kooperation mit den HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden (HSK) und Wildwasser Wiesbaden e.V. eine Versorgungsstruktur geschaffen, die Betroffenen nach einer Vergewaltigung sensible medizinische Akutversorgung auf Wunsch auch mit vertraulicher Spurensicherung bietet, ohne dass dafür eine Anzeige bei der Polizei gemacht werden muss. Damit sind juristisches und medizinisches Vorgehen voneinander getrennt.
Das zuständige Fachkommissariat des Polizeipräsidiums Westhessen ist von Projektbeginn an in das Angebot unterstützend involviert.

Ziel der Open Air Bettaktion ist es, das Angebot einem weitläufigeren Publikum bekannt zu machen und die Struktur nachhaltig im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu festigen.
Betroffene können sich nach einer Vergewaltigung Tag und Nacht an die gynäkologische Ambulanz der HSK wenden und dort sofortige medizinische Unterstützung erhalten. Wenn von den Betroffenen gewünscht, werden dabei DNA-Spuren gesichert, die dann für ein Jahr rechtssicher aufbewahrt werden. Diese Sachbeweise können in einem möglicherweise angestrebten Gerichtsverfahren essentiell sein. Viele Betroffene einer Vergewaltigung trauen sich nicht ins Krankenhaus oder in eine niedergelassene Arztpraxis zu gehen, aus Angst, dort würde gegen ihren Willen die Polizei gerufen werden. Denn Betroffene wollen nicht unbedingt immer eine Anzeige machen oder sind aufgrund fehlender Informationen direkt nach dem Tatzeitpunkt unentschlossen. „Eine bestmögliche medizinische Versorgung ohne Sorge vor Repressalien hat oberste Priorität. Sie sollte möglichst zeitnah erfolgen.“ erklärt Saskia Veit-Prang, Kommunale Frauenbeauftragte der Landeshauptstadt Wiesbaden. Das Modell der Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung nimmt den Betroffenen den Druck, sich sofort für eine Anzeige entscheiden zu müssen. Betroffene werden außerdem von den Ärztinnen und Ärzten auf das Beratungsangebot von Wildwasser Wiesbaden e.V. hingewiesen. „Wenn eine medizinische Untersuchung unkompliziert und ohne Sorge, dass die Polizei involviert wird, in einem Krankenhaus durchgeführt werden kann, verringert das die Belastung für die Frauen. Vielmehr haben sie das Gefühl, die Kontrolle über sich und ihren Körper wiederzugewinnen. Gleichzeitig werden wichtige Spuren gesichert, die allerdings nur 72 Stunden nach der Tat aufgenommen werden können.“, so Bettina Jansen von Wildwasser Wiesbaden. „Frauen können jederzeit, ob unmittelbar nach der Tat, Wochen später oder zur Entscheidungsfindung, ob sie Anzeige erstatten möchten kostenfrei und auf Wunsch anonym bei Wildwasser Wiesbaden e.V. beraten werden“ ergänzt Anika Nagel.

Um eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen, läuft derzeit flankierend zur Bettenaktion auch eine Plakatwerbung in den Wiesbadener Stadtbussen. Sowohl mit den Plakaten der Soforthilfe, die ursprünglich vom Frauennotruf Frankfurt entwickelt wurden, als auch mit Plakaten von Wildwasser Wiesbaden e.V. sollen viele Bürgerinnen und Bürger über das Angebot der medizinischen Soforthilfe informiert werden. Da Frauen und Mädchen besonders häufig öffentliche Verkehrsmittel nutzen, werden sie mit der Buswerbung gut erreicht. Sowohl im Jahr 2021 wie auch in 2022 wurden für die Öffentlichkeitsarbeit finanzielle Mittel durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration bereitgestellt.

Weitere Informationen zum Projekt unter www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de oder www.wildwasser-wiesbaden.de oder telefonisch unter der 0611-80 86 19.