Geschichte des Vereins
Wie Wildwasser zu seinem Namen kam
Wildwasser ist ein Symbol für die Lebendigkeit und den Überlebenswillen der Betroffenen. Wildwasser symbolisiert aber auch die Kraft, die entsteht, wenn viele sich zusammentun. Ein Tropfen erreicht wenig, aber viele Tropfen ergeben einen Strom. Ein reißender Fluss kann zerstören z.B. ein Tabu brechen, ein Fluss ist aber ebenso Grundlage für Wachstum und reiche Ernte. 1982 entstand Wildwasser in Berlin. Es wurde von Frauen gegründet, die sich ursprünglich in einer Selbsthilfegruppe, für in der Kindheit von sexuellem Missbrauch betroffene Frauen, zusammengeschlossen hatten (siehe www.wildwasser-berlin.de).
1984 Rosemarie Steinhage sucht 1984 betroffene Frauen für eine wissenschaftliche Arbeit über die Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs in ihrem Leben. Ca. 200 Frauen aus der gesamten Bundesrepublik melden sich. Ein Großteil der befragten Frauen formuliert Bedarf nach Beratung, Unterstützung und Hilfe. Dieses Anliegen wird von Rosemarie Steinhage und Vienna Botens aufgegriffen. Sie unterstützen die Frauen bei der Bildung von Selbsthilfegruppen.
Im Wiesbadener Einzugsbereich bieten sie erstmalig eine therapeutisch angeleitete Selbsterfahrungsgruppe an. Judith Besier schließt sich zu diesem Zeitpunkt Vienna Botens und Rosemarie Steinhage an.
1985 Im September gründen die Frauen der Selbsterfahrungsgruppe sowie Rosemarie Steinhage, Vienna Botens und Judith Besier den Verein „Arbeitsgemeinschaft gegen sexuellen Missbrauch von Mädchen“ mit dem Ziel, eine Beratungsstelle für betroffene Mädchen und Frauen einzurichten. Damit leisten die Frauen von Wildwasser Wiesbaden Pionierinnenarbeit!
Im Herbst 1985 findet erstmalig eine bundesweite Tagung von Wildwasser Berlin statt. Die dort teilnehmenden Wiesbadener Frauen entscheiden sich, den Namen WILDWASSER zu übernehmen.
Die ersten Jahre arbeiten alle Vereinsfrauen bei Wildwasser Wiesbaden ehrenamtlich und unentgeltlich. Hauptarbeitsfeld ist die Öffentlichkeitsarbeit. Die Vereinsarbeit muss in privaten Räumen organisiert werden. Für Beratungen können Räume in der Erziehungsberatungsstelle des Nachbarschaftshauses genutzt werden.
Im Dezember 1985 erfolgt die Gründung einer Frauenberufsgruppe, die sich mit der Problematik des sexuellen Missbrauchs auseinandersetzt.
1986 stellt die Stadt Wiesbaden Räume in der Schwalbacher Straße für die Beratung zur Verfügung.
Auch das kommunale Frauenbüro gründet sich 1986. Zur Förderung Wiesbadener Frauen wird das Büro der Frauenbeauftragten als Stabsstelle beim Oberbürgermeister eingerichtet. Wegbereiterin und langjährige Frauenbeauftragte ist Frau Margot Brunner.
1987 Umbenennung in Wildwasser Wiesbaden e.V.
Erstmalig können zwei Mitarbeiterinnen bezahlt eingestellt werden.
Die Anfragen nach Beratung und Unterstützung erhöhen sich auf das Dreifache. Ende des Jahres kann eine dritte hauptamtliche Mitarbeiterin eingestellt werden. Finanziert wird die Arbeit durch einen Miet- und Sachkostenzuschuss der Stadt Wiesbaden, durch die Stiftung Deutsche Jugendmarke e.V. sowie durch einen Personalkostenzuschuss des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen
1988 Umzug in größere Räume in der Wallufer Straße 1. Gründung der hessischen Landesarbeitsgemeinschaft gegen sexuelle Gewalt an Mädchen. Wildwasser Wiesbaden ist Gründungsmitglied.
In den folgenden Jahren erweitert die Beratungsstelle von Wildwasser Wiesbaden e.V. ihr Beratungs- und Therapieangebot für betroffene Frauen und Mädchen. Auch Prävention an Schulen wird ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt.
1993/1994 Persönliche und inhaltliche Veränderungen führen zu einer Umwandlung der bisherigen „Teamleitung“ in eine hierarchisch organisierte Leitungs- u. Mitarbeiterinnenstruktur. Leiterin wird Rosemarie Steinhage. Die ehrenamtliche Mitarbeit bei Wildwasser wird beendet, es gibt nur noch hauptamtliche Mitarbeiterinnen.
1998 Rosemarie Steinhage beendet ihre Tätigkeit bei Wildwasser Wiesbaden. Neue Leiterin wird Dr. Christine Raupp
1999 Erstmals erhält Wildwasser Wiesbaden e.V. finanzielle Unterstützung durch den Rheingau-Taunus-Kreis.
2000 Eine weitere Stelle kann eingerichtet werden. Finanzielle Unterstützung gibt es nun auch durch den Main-Taunus-Kreis.
2001 Die Teamerweiterung, aber auch Teamveränderungen tragen zu einer intensiven strukturellen Auseinandersetzung bei. Arbeitsschwerpunkte werden geprüft, neue Öffentlichkeitsmaterialien und ein Logo für Wildwasser werden entwickelt.
Seit 2003 bietet Wildwasser Wiesbaden einmal jährlich einen Fachtag mit einem spezifischen Schwerpunkt aus dem Arbeitsbereich sexuelle Gewalt an.
2004 Wildwasser Wiesbaden ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft feministischer Einrichtungen gegen sexuelle Gewalt (BAG Forsa). Im Rahmen eines Forschungsprojektes entwickeln die Mitgliedseinrichtungen der BAG Forsa Qualitätsstandards für die Arbeit in den feministischen Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen.
2005 Wildwasser Wiesbaden bietet ein Schulpräventionsprojekt an. Das Schulpräventionsprojekt ist ein Kooperationsprojekt mit dem Institut für Beratung und Therapie (Erziehungsberatungsstelle in der Adelheidstraße) zum Thema sexuelle Gewalt.
2008 Einstellung einer neuen Kollegin für das Schulpräventionsprojekt. In den folgenden Jahren wird das Präventionsprojekt konzeptionell weiterentwickelt. Das Projekt wird aber weiterhin durch Spenden und kommunalisierte Landesmittel finanziert. Das Schulpräventionsprojekt erhält den Namen „Linie 8“.
Nach über 20 Jahren Standorttreue in der Wallufer Straße wird ein Umzug notwendig, da sich unsere Aufgaben und Arbeitsbereiche kontinuierlich erweitern. Insbesondere für unsere Fortbildungen und die Mädchengruppen bei unserem Schulpräventionsprojekt brauchen wir einen größeren Gruppenraum und für die neue Kollegin einen Beratungsraum. Seit September 2008 finden uns Ratsuchende in der Dostojewskistraße 10.
2010 Ein immer noch in weiten Teilen tabuisiertes Thema, sexuelle Gewalt in Institutionen, erhält einen „Öffentlichkeitsschub“. Auslöser ist die Information von Pater Klaus Mertes, Leiter des Berliner Canisius-Kolleg (eine Schule der Jesuiten), dass an der Schule von 1975 bis 1983 Lehrer sexuelle Gewalt gegen Schüler ausgeübt haben.
In der Folge werden weitere Fälle an anderen Institutionen bekannt und erstmals von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen
Dies hat weitreichende gesellschaftspolitische Auswirkungen. Der Bund nimmt sich selbst in die Pflicht, es werden „runde Tische“ gegründet, die sich mit der Thematik „sexuelle Gewalt in Institutionen“ befassen und Studien, Projekte, Arbeitsgruppen etc. beauftragen. Es wird die Stelle der „Unabhängigen Beauftragen Sexueller Kindesmissbrauch“ eingerichtet.
In der Folge werden Gesetze zum Kindesschutz (Stärkung des § 8a SGB VIII Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung), im Strafrecht erweitert (z.B. Verjährungsfristen) oder neu (Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)), verabschiedet.
Es werden Fonds für Betroffene zur Verfügung gestellt und Bundeskoordinationsstellen eingerichtet.
2011 Im Zuge dessen erstellt Wildwasser Wiesbaden im Auftrag des Hessischen Sozialministeriums eine Studie zur Situation der stationären Jugendhilfe in Hessen. Zusätzlich zur Erfassung, Auswertung und Evaluation von Konzepten hessischer Jugendhilfeeinrichtungen zur Prävention sexueller Gewalt wird ein Kriterienkatalog für sinnvolle Präventionskonzepte entwickelt.
In den folgenden Jahren engagiert sich Wildwasser Wiesbaden verstärkt bundespolitisch zur Umsetzung fachlicher Standards für die Arbeit zu sexueller Gewalt. Für die Fachberatungsstellen und für Betroffene.
2011 Wird der Kinospot „Sexuelle Gewalt lässt sich nicht abwaschen“ für Wildwasser Wiesbaden entwickelt und in Kinos aufgeführt.
Seit 2011 Konzeptionierung und Durchführung (mit der Landesarbeitsgemeinschaft feministischer Fachberatungsstellen gegen sexuelle Gewalt) der Fortbildungsreihe „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt“ vom Hessischen Sozialministerium
2012 Hessen verabschiedet einen Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor ssexueller Gewalt in Institutionen.
2015 Erweiterung des Schulpräventionsprojektes durch „Treasure@net“, zu dem Themenschwerpunkt sexuelle Gewalt in den Neuen Medien. Treasure@net ist als 2. Gruppenangebot des Schulpräventionsprojektes „Linie 8“ für die Arbeit mit Schüler_innen der 6. Klassen konzipiert.
Darüber hinaus wird das Schulpräventionskonzept als Angebot für Schulen mit besonderem Förderbedarf weiter entwickelt.
2016 Einrichtung eines zusätzlichen Beratungsraums im Mütterzentrum in Eltville (Rheingau– Taunus– Kreis)
2016 Aufgrund zusätzlicher öffentlicher Mittel kann eine weitere Stelle bei Wildwasser Wiesbaden e.V. eingerichtet werden. Es arbeiten nun acht Frauen in der Fachberatungsstelle.
2017 Wildwasser Wiesbaden e.V. eröffnet ein Fortbildungszentrum in der Dostojewskistraße 14, das dem Bedarf nach Schulung und Qualifizierung Rechnung trägt.
2017 Wildwasser Wiesbaden e.V. feiert 30-jähriges Jubiläum im Rathaus Wiesbaden und präsentiert vier Wochen lang Renate Bühns Ausstellung „Immer noch“.