Nachruf zum Tod von Burglinde Retza

„Wir machen uns stark für Mädchen und junge Frauen!“ Dieses Motto hat Burglinde Retza gelebt.

Burglinde hatte in ihrer Tätigkeit als Referentin beim Hessischen Fortbildungs-werk für soziale Fachkräfte und später beim Hessischen Sozialministerium bereits Anfang der 80iger Jahre Mädchen und junge Frauen und deren benachteiligte Situation in unserer Gesellschaft im Blick. Sie war nicht nur sehr daran interessiert, wie man deren Lebenssituation verbessern konnte, sondern auch aktiv an Veränderungen beteiligt. Es war Burglindes Herzensthema, dass Mädchen und Frauen gleichberechtigt mit Jungen und Männern in unserer Gesellschaft leben können. Das hat sie bewegt und dafür hat sie sich über alle Maßen engagiert.

Auch die pädagogische Entwicklung sowie die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen, die in Heimen und Wohngruppen aufwachsen, waren ihr ein großes Anliegen, für das sie sich mit langjährigem Engagement in der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) einsetzte. Darüber hinaus war sie Gründungsfrau der Hessischen Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik und jahrelang in dieser LAG aktiv.

Zusätzlich zeigte Burglinde eine große Bereitschaft, Institutionen, die zur Verbesserung der gesellschaftlichen Situation von Mädchen und Frauen beitragen, auch privat finanziell zu unterstützen.

Burglinde besaß die große Fähigkeit „über den Tellerrand zu schauen“. Sie hatte einen Weitblick für Themen, die für Frauen in bestimmten von der Politik und Gesellschaft vernachlässigten Berufsgruppen relevant wurden. So hat sie sich in ihrer beruflichen Tätigkeit für die Weiterentwicklung und Wertschätzung des Berufs der Erzieherinnen eingesetzt. Ein anderes Thema, dass sie bewegte, war „Frauen und Älterwerden im Beruf“. Sie bemerkte früh, dass insbesondere Frauen wenig Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten in typisch weiblichen Berufsfeldern haben. Das wollte sie ändern.

Wer wachsam ist und sich für die Verbesserung der gesellschaftlichen Situation von Mädchen und Frauen interessiert und einsetzt, stößt ziemlich schnell auf das Thema „Gewalt gegen Mädchen und Frauen“. So erging es auch Burglinde. Folgerichtig engagierte sie sich auch zu diesem Thema und arbeitete von 1994 bis 2002 über acht Jahre lang ehrenamtlich im Vorstand von Wildwasser Wiesbaden, unserer feministischen Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen.

Außerdem wurde sie 1988 Mitbegründerin des „Vereins zur Unterstützung von Mädchen in Not e.V.“ Ihr Ziel war die Errichtung eines Mädchenhauses für Mädchen in Not in Wiesbaden. Zusammen mit anderen Frauen entwickelte sie das Projekt und erkämpfte bei der Stadt Wiesbaden die Finanzierung für die Umsetzung. Eine geeignete Betriebsstätte wurde gefunden und Mitarbeiterinnen eingestellt. All dies leistete Burglinde zusammen mit den anderen Vereinsfrauen ehrenamtlich.

Ihr Engagement war von Erfolg gekrönt. 1992 konnte die „INTAKT – die Mädchenzuflucht Wiesbaden“ eröffnet werden. 1998 folgte „ZORA – Anlauf- und Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen“. Burglinde hat auch nach Ende ihrer Vorstandstätigkeit bis zu ihrer Erkrankung noch viele Jahre an Mitgliederversammlungen dieses Vereins teilgenommen.

Alle drei genannten Einrichtungen bestehen bis heute und bereichern die Stadt Wiesbaden mit wichtigen und anerkannten Beratungs- und Zufluchts-Institutionen für Mädchen und Frauen.

Ihr Umgang mit Menschen war immer herzlich und geprägt von großer Hilfsbereitschaft und großer Fürsorge. Sie kam zu keinem Treffen ohne „Mitbringsel“ für die Gastgeberinnen wie z.B. Blumen, schön geschliffene Steine und anderes. Immer wenn Sie auf Informationen stieß, die für jemand anderen hilfreich sein konnten, hat sie diese „ohne große Worte“ weitergereicht.

Burglinde war auch eine unermüdliche Netzwerkerin. Wann immer es Gelegenheit gab, hat sie Menschen miteinander ins Gespräch gebracht. Dafür hat sie sogar manch größeres Fest veranstaltet.

Burglinde Retza ist am 20.05.2022 verstorben. Eine engagierte Kämpferin für die Rechte von Mädchen und Frauen in Wiesbaden und in Hessen hat uns verlassen. Sie wird unserer Gesellschaft sehr fehlen.


Rosemarie Steinhage, Christiane Steitz und Christa Blum
ehemalige Vorstandsfrauen

Elsbeth Schumacher, Despina Sarikli und Martina Meckel
aktive Vorstandsfrauen

Christine Raupp
Geschäftsführerin

die Mitarbeiterinnen
von Wildwasser Wiesbaden e.V.