Wildwasser Wiesbaden veröffentlicht den Tätigkeitsbericht 2023
2023 stand unter dem Motto „Das einzig Beständige ist der Wandel“. Die Mitarbeiter*innen der Fachberatungsstellen Wildwasser Wiesbaden e.V. ergänzen:
„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“.
Nachdem die Fachberatungsstelle schon in 2022 wenig ruhiges „Fahrwasser“ hatte, gestaltete sich 2023 noch „wilder“. 2023 gab es viel Bewegung und Veränderung bei Wildwasser Wiesbaden.
Sie ist 2023 auch „neue Wege“ gegangen.
Die Geschäftsführungsstelle wurde nach schwangerschaftsbedingter Vakanz teamintern mit Jaqueline Ruben und Anika Nagel erfolgreich besetzt.
Trotz der großen Veränderungen, entschied sich der Verein ein großes, neues Projekt umzusetzen, die Eröffnung einer neuen Fachberatungsstelle für männliche* Betroffene in Kindheit und Jugend.
Die Eröffnung der neuen Beratungsstelle ist als größter Veränderungsprozess der Vereinsgeschichte zu betrachten.
„Eine Finanzierung durch das Land Hessen sowie der passende Zeitpunkt, dass Räumlichkeiten in unmittelbarer Nähe zur bisher bestehenden Beratungsstelle frei wurde, ermöglichten uns, diesen Schritt zu gehen“, so Anika Nagel, die die Gesamtkoordination der Eröffnung der neuen Beratungsstelle managte.
Anlässlich der Pressekonferenz am 14.08.2024 informierten die Geschäftsführerinnen von Wildwasser Wiesbaden e.V. Jaqueline Ruben und Anika Nagel, über die Aktivitäten der Fachberatungsstelle im Jahr 2023.
Wie Frau Ruben berichtete, ist 2023 die Gesamtzahl der Meldungen im Vergleich zum Vorjahr um 34 % gestiegen. „Sicherlich ist die gestiegene Zahl ein Ergebnis der hohen Belastungen von Kindern in der Folge der Corona Pandemie sowie der erhöhten Aufmerksamkeit und Sensibilisierung von Fachkräften und Privatpersonen“, so Ruben. Ebenfalls um über 20 % stiegen die durchgeführten Beratungen von 322 im Jahr 2022 auf 388 im Jahr 2023.
Kinderschutz ist nur möglich, wenn Kooperation gut funktioniert. Aus diesem Grund stellt Wildwasser Wiesbaden im Tätigkeitsbericht 2023 das seit über 25 Jahren bestehende Kooperationskonzept „Institutionelle Kooperation bei sexueller Gewalt gegen Mädchen* und Jungen*vor. Hierzu wurde ein Interview mit Rosemarie Steinhage, einer der Gründungsfrauen geführt.
2023 stammten 85,45 % der Meldungen aus den Regionen, für die Wildwasser Wiesbaden e.V. zuständig ist. 14,55 % der Anfragen kamen aus anderen Regionen (2022 noch 16 %). In der Regel bekommen nur die Ratsuchenden aus der Region (Wiesbaden, RTRK, MTK) ein persönliches Beratungsangebot.
In 2023 hat sich die Anzahl der Meldungen durch Fachpersonen, die sich wegen vermuteter sexualisierter Gewalt gemeldet haben, von 36 % (2022) auf 42% in diesem Jahr deutlich erhöht.
Die Meldungen aus dem privaten Umfeld sind mit 30,2 % ähnlich hoch wie im letzten Jahr. Die Zahl der Selbstmelder*innen dagegen hat sich nach unten verschoben von 35 % im letzten Jahr auf 27,8 % in 2023. Da sich in 2023 die Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen durch sexualisierte Gewalt deutlich erhöht haben, sind prozentual mehr Meldungen zu Kindern und Jugendlichen eingegangen. Diese werden in der Regel durch Fachkräfte (und auch Angehörige) eingebracht.
Stolz kann Wildwasser Wiesbaden auf 20 Jahre Frauengesprächsgruppe zurückschauen, die von den Mitarbeiterinnen Brigitte Weiss und Bettina Jansen geleitet wird.
„Viele Frauen haben wenige soziale Kontakte. Alleine jede Woche an einen Ort zu kommen, an dem sie anderen begegnen können, sei hilfreich für die Frauen“, so Brigitte Weiss. Zu erleben, dass es anderen Betroffenen ähnlich gehe wie ihnen selbst, helfe ihnen, sich nicht mehr so einsam zu fühlen mit ihrer häufig hohen Belastung.
Als Beispiel erwähnt Frau Weiss eine Frau, der in der Gruppe entlastend bewusst wurde, dass man ihr die erlittene sexuelle Gewalt nicht ansehe. Bisher hatte sie immer befürchtet, in der Öffentlichkeit als Betroffene erkannt zu werden.
Viele Frauen hatten häufiger an dem Angebot teilgenommen und bei sich und anderen Veränderungsprozesse erlebt. Die Frauen wurden im Laufe der Zeit stabiler, trauten sich mehr zu. Die Entwicklung stärkte bei anderen Teilnehmerinnen die Gewissheit, dass Stabilisierung möglich ist, auch für sehr belastete Frauen.
Erst seit gut zwei Jahren besteht eine Mädchengruppe „die feministischen Fritten“ empowered by Wildwasser Wiesbaden. Dieses Gruppenangebot richtet sich an betroffene und nicht betroffene Mädchen. Die Gruppe nimmt aktiv an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen teil und setzt sich für Gleichberechtigung ein und gegen Sexismus.
Im Mai 2023 wurden gleich zwei Fritten mit dem Young Women in Public Affairs Award von Zonta Wiesbaden für ihr außerordentliches soziales Engagement ausgezeichnet. Chiara und Ida belegten gemeinsam den zweiten Platz.
Ebenfalls seit 2017 hat sich das Hilfsangebot „medizinsiche Soforthilfe nach Vergewaltigung“ in Wiesbaden bewährt und etabliert, welches vom Kommunalen Frauenreferat der Landeshauptstadt Wiesbaden koordiniert und finanziert wird. „Wir freuen uns, dass mit der Auftaktveranstaltung am 28.06.2023 dieses Hilfsangebot auch im Rheingau-Taunus-Kreis zur Verfügung steht“, so Nagel.
Feierlich wurden am 18.12.2023 Dankeskuchen an die gynäkologische Ambulanz der Helios Dr. Dr. Schmidt Klinik übergeben. Bürgermeisterin Hinniger dankte für die Umsetzung des anspruchsvollen Projekts und Anika Nagel legte in ihrem kurzen Impulsvortrag den Fokus auf die Betroffenen, die nach einer Vergewaltigung zu Wildwasser Wiesbaden in Beratung kommen können.
Wildwasser Wiesbaden e. V. unterstützt seit 37 Jahren Betroffene von sexualisierter Gewalt, schützende oder unterstützende Angehörige sowie Fachkräfte, die sich für betroffene Mädchen und Jungen einsetzen oder Sorge haben, dass ein ihnen anvertrautes Kind von sexualisierter Gewalt betroffen sein könnte. Darüber hinaus tragen die Mitarbeiter*innen durch Prävention dazu beizutragen, dass Mädchen und Jungen keine sexualisierte Gewalt widerfährt und dass betroffene Kinder sich Hilfe holen können.